selfie

    Selbstbildungsbürgertum

    Nun ist die Große ein Teenie und wie die so sind, machen sie eine Tonne Selfies pro Tag. Ungelogin, eine Tonne. Ändern ihr Profilbild bei WhatsApp mindest dreimal täglich. Und was macht der Kleine? Nimmt sich das zum Vorbild und den Handspiegel und übt sich im Posen, mit Peacezeichen und allem. So daß ich kurz davor bin, dem Handspiegel mit Edding vorne einen Homebutton und hinten einen Apfel aufzumalen.

    Wo wir gerade beim Thema sind:

    The Oatmeal fragt: Should you buy a selfie stick? Und die Antwort lautet vielleicht ja, wenn Du die Zukunft des Journalismus verkörpern möchtest. Oder auch nicht.

    Google Glass ist jedenfalls tot.

    Kunst kommt von können. Und weil letztens Museum-Selfie-Tag war, hier ein Zitat von Hans Ulrich Gumbrecht, der sich ein paar lesenswerte Gedanken zum Thema gemacht hat.

    Neben dieser unterschwelligen Transformation des Verhältnisses zur Vergangenheit, deren Folgen wir noch nicht abschätzen können, markieren die Selfies speziell eine technologisch erneuerte – und sozusagen “verschärfte” — Version jener Momente, wo Weltwahrnehmung auf die Perspektive und Modalität von Selbstreflexivität umschaltet, das heißt: auf “Beobachtung zweiter Ordnung” (wie Niklas Luhmann gesagt hätte), eben auf Selbstwahrnehmung im Akt der Weltwahrnehmung.

    Sich über Selfies lustig machen ist leicht. Aber lieber erst einmal an die eigene Nase fassen. Denn eigentlich sind Selfies Sport

    Sonst noch was? Ja: Surprise is the new duckface.

    Pest of Selfie

    Das Time Magazine hat ein Selfie-Ranking mit Weltkarte erstellt. Demnach ist laut rp-online.de/ Düsseldorf die Selfie-Hauptstadt Deutschlands. Das kommt davon, wenn @karstenloh nur noch Frankfurt-Bilder knipst und nicht mehr sich selbst.

    Wie 9to5mac.com/ berichtet, hat Apple in seinem Appstore eine eigene Selfie-Kategorie eingerichtet. Das ist doch sicher was für die #1 dieser Bildergalerie.

    Im australischen Sydney geht man derweil andere Vermarktungswege. So ist auf augsburger-allgemeine.de/ über ein Hotel zu lesen, in welchem man einmal umsonst nächtigen kann, wenn man mehr als 10.000 Instagram-Follower aufzuweisen hat. Was der Herberge allerdings ganz klar fehlt, ist ein Restaurant mit Spiegeln an jedem Tisch, damit man sein Essen als Teil eines Selfies photographieren kann.

    Fleischverhalten

    Mehrere Studien sind also zu dem Schluß gekommen, daß eine bestimmte Weise der Facebook-Nutzung depressiv macht. In den Überschriften der Artikel dazu wird daraus natürlich “Facebook macht depressiv”, klar. Einige davon sind am Beginn dieses Posts auf slate.com/ verlinkt. Falls das jemanden interessiert. Eigentlich kommen die Studien lediglich zu dem wenig überraschenden Ergebnis, daß Stalking für die Psyche wenig förderlich ist - also derjenigen des Stalkers.

    Das ist alles immer schön nutzerzentriert geschrieben, die Benutzten kommen dabei allenfalls am Rande vor. Schon klar, man kann nicht in jedem Text die ganze Welt erklären, aber was diese Hinterherspionage mit den Gestalkten anstellt, das wäre auch in diesem Fall eine Erwähnung wert. Worauf ich aber eigentlich hinauswollte: Der Slate-Post hat so eine interessante Überschrift und dann geht es da mit keinem Wort drum. Stattdessen wird nur behauptet, daß Instagram noch viel schlimmer sei als Facebook. Ein Unterschied zwischen Selfies und anderen Photos wird überhaupt nicht thematisiert.

    Instagram kann jetzt Web Embeds.

    Wozu da ein Faß aufmachen, wenn eh alles in einen Topf geschmissen wird? Jedes Bild ist eine Inszenierung, wissen wir doch. Ob wir nun selbst drauf sind, den Auslöser betätigt haben oder beides. Also zumindest dann, wenn wir es im Internet veröffentlichen. Überhaupt Worte.

    Grober Schnitzer

    DIY ist doch immer nich in - und wird als Trend auch so schnell nicht wieder verschwinden. Jeder ist sein eigener Authentischler. “Das Netz vergisst nichts” klingt für viele mittlerweile wie eine Verheißung. Im Onlinezeitalter ist jede Form der Selbstdarstellung ein Absatz der eigenen Biographie.