zeit

    ... und die heiligen drei Zeitleser

    Bei dem Zeittext Maria und Josef in Neukölln, der mir gestern mehrmals in die diversen Timelines gespült worden ist, bekomme ich das kalte Kotzen. Letztes Jahr, als die beiden Journalisten durch Frankfurts Speckgürtel getourt sind, bin ich noch Abonnent dieser Wochenzeitschrift gewesen. Solch eine gefühlige Vorweihnachtsschreibe hat mir wieder vor Augen geführt, warum ich die Zeit abbestellt habe. Für mich zwei Paradebeispiele von Klienteljournalismus mit Herzsimulation, weil wohl weder Managermillionäre noch HartzIV-Empfänger zu Giovanni di Lorenzos Kernzielgruppe gehören.

    Die kleine Prinzessin Rosalie

    Darum schlage ich für den nächsten Advent vor, sich für Teil drei mal dort umzuschauen, wo die bildungsbürgerlichen Zeitleser überproportional häufig vertreten sind.

    den leo machen

    In Ausgabe Nr. 2/2012 der Zeit Leo, einem “neuen Magazin für Jungen und Mädchen ab 8 Jahren”, werden mehrere Kinder zu ihrem Verhältnis zu Ordnung befragt. Die beiden unten abgebildeten Interviewopfer sind nicht die einzigen Auskunftgeber, andere artikulieren immerhin so abstruse Worte wie “Spielzeug” oder faseln etwas von einer abwegigen Einrichtung namens “Freizeit”. Aber trotzdem finde ich es schon ein starkes Stück, daß solche Worte aus Kindermund für Kinderaugen, wie sie unten zu lesen sind, keinerlei redaktionelle Einordnung erfahren.

    Links: die Beschäftigung mit Spielen und Büchern ist in der Tat vergeudete Zeit - und das ab dem ersten Lebensjahr. Rechts: Ich dachte, in Deutschland wäre Kinderarbeit verboten.

    zeit leo umfrage ordnung kinder

    Um den Kindern ihre Zukunft nicht zu verbauen, sind ihre Namen und Gesichter unkenntlich gemacht worden.

    zur zeit in mode

    Harald Martenstein schreibt im aktuellen ZEIT-Magazin wieder einmal ein paar richtige Dinge über Journalisten, die sich - wie jüngst wieder im Fall Wulff - in ihren Artikeln und Kommentaren als absolute ethische Instanz gerieren, in den meisten Fällen an ihre eigene Person und Arbeit weit niedrigere Maßstäbe anlegen. Dann plaudert der Kolumnist aus dem Nähkästchen, freilich ohne Namen zu nennen, und berichtet über die gängige Praxis, wie etwa Rezensionen zustande kommen, welche Annehmlichkeiten man im Austausch dafür erhält und wie die Schere im eigenen Kopf bestimmte Sätze streicht, einzig aus dem Grund, sie könnten jemand anderem nicht gefallen. Vetternwirtschaft eben, hier in Köln heißt das Klüngel.

    Damit will ich nicht etwa sagen, dass der Journalismus in Deutschland korrupt und moralisch verkommen sei. Das ist er nicht. Er ist nicht besser oder schlechter als der Rest der Gesellschaft. Die Medien werden halt nicht so genau kontrolliert wie die Politik.

    So weit, so gut. Ich blättere in der Printausgabe ein paar Seiten weiter und dann das: “Im aktuellen ZEITmagazin, das von den Deutschen der Modewelt handelt, haben wir Model und Schauspielerin Jessica Joffe beim Check-in fotografiert” - und erwähnen weder während der achtseitigen Bilderstrecke, noch im Kurzinterview auf Seite 28, welches die “die Münchnerin” immerhin als eine der vierzehn wichtigsten Deutschen im Business vorstellt, daß sie die Tochter von Josef Joffe ist, zufälligerweise Herausgeber der ZEIT.

    zwei Seiten der ZEIT

    Es wird echt Zeit, das Abonnement dieses Presseerzeugnisses zu kündigen. (Nicht, daß andere besser wären - s.o.)

    treff/sicher

    Harald Martenstein über Kein Kölsch für Nazis. Schon seltsam, wie es Die Zeit ansonsten schafft, in den letzten Wochen gerade die Artikel, in denen mir einzelne Formulierungen aufstoßen oder gleich der ganze Duktus mißfällt, nicht online zur Verfügung zu stellen. Und weil ich zu faul bin, im Altpapierstapel nach den letzten zweidrei Ausgaben zu kramen, muß jetzt eben das Gedächtnis herhalten. Dafür zitiere ich auch indirekt.

    In einem Artikel zum Finale von Germany’s Next Topmodel äußert sich Miriam Lau im Schlußabsatz dahingehend, daß sich bei der Model-Castingshow nur Hauptschülerinnen und Friseusenazubis bewürben. Und stellt die pädagogischen Fähigkeiten ihrer sowohl Lehrer als auch Eltern gleich mit infrage. Im selben Feuilleton wird der Versuch unternommen, sich in einem kurzen Halbspaltentext für einen ach so tollen Lead Award selbst auf die Schulter zu klopfen, gleichzeitig aber darüber mokiert, daß diese Auszeichnung auch einer solch anspruchslosen Werbekampagne wie Diesels Be stupid verliehen worden ist. In der neuesten Ausgabe dann ein Halbsätzchen direkt auf der Titelseite, im Rahmen der causa Silvana: Es wäre doch nicht frei von einer gewissen Ironie, daß gerade dieses Internet - sonst in erster Linie für notorische Raubcopy&Pasteleien bekannt - etwas wie Gutten- sowie VroniPlagen hervorbrächte. Dieses, nein, das Internet. Weißt Du, was ich ironisch finde, liebe Zeit? Daß ich bald kein Klopapier mehr zum Arschabwischen habe, weil ich das Abonnement Deiner Printausgabe nämlich kündigen werde, wenn Du weiter meinst, in aufgesetzt elitärer Pose in dieser billigen, effektheischerischen Art und Weise auf Andere herabsehen zu müssen. Ich kündige dann schriftlich - auf diesem Papier, you know?

    Familienangelegenheit

    Nicht, daß dieser Text von Don Alphonso auf faz.net/ der Weisheit letzter Schluß wäre. Ist auch schwierig beim Thema Kinder, wenn nicht unmöglich. Wie man’s macht, macht man’s verkehrt. Und mit Sicherheit nie allen recht. Aber mit einem Zitat wie diesem

    Nachlässig, weinerlich und inkompetent wie die Nido-Supereltern, und völlig rückwärtsgewandt und überzogen, gehärtet und für die Moderne ruiniert von den Ansprüchen unserer eigenen Eltern.
    ist das im vorletzten ZEIT-Magazin veröffentlichte Gejammere von Jana Hensel treffend charakterisiert. Deren Artikel ist seit ein paar Tagen nun auch auf zeit.de/ zu lesen. Ich rate allerdings von einer Lektüre ab.

    Anspruch und Wirklichkeit. Kennt man ja.

    Dunkelkrämer

    Schatten. Einen Schatten haben. Beschattet werden. Also quasi verrückt gemacht. Paranoia. // Anderes Thema.

    die freischreiber nannten die podiumsteilnehmer im program „Diskutanten“. ob alice schwarzer auch gerne diskuonkel gesehen hätte?
    Viele kennen es schon, einige vielleicht noch nicht. Auch ohne in die technischen Details zu gehen: zeit.de/ hat da ein beeindrückendes Schaubild zu rechter Gewalt gezimmert. In Deutschland, in HTML5.

    Pimp The Timp - Ach ja, Kölner, Ihr habt noch mehr Termine. #plan10

    "Lady, I don't have time."

    Gehetzt klingen viele heutzutage. Oder wollen so klingen: busy. Termine, Termine, Termine und zwischendurch immer up to date bleiben - jeden Tag, 24/7. Es ist hier bestimmt nicht meine Absicht, Charlie Chaplins Stummfilmklassiker zu romantisieren, denn über die Fließbandarbeit sind wir längst hinaus. Statt Arbeitsteilung ist nun Multitasking das trendy Topic. Aber wie modern kann die Zukunft schon sein?

    Die brand eins widmet ihren Schwerpunkt in der aktuellen Aprilausgabe (Editorial) dem Thema “Lebensplanung”. Klar, sie führt wahrheitsgemäß die Bezeichnung Wirtschaftsmagazin im Untertitel, d. h. mit Leben ist hier eigentlich nur Arbeit gemeint. Aber das ist ja gerade das Problem: die stetig verschwimmendere Trennung von Privat- und eben Arbeitsleben. Okay, es gibt ihn zwar schon länger, aber allein der Begriff “Arbeitsleben”. Da kommt einem selbst Frederick Winslow Taylor als Schreckgespenst nicht mehr in den Stechuhrzeigersinn, darüber ist man schon längst hinaus. Wo nichts mehr zu rationalisieren ist, da lautet das neue Schlagwort Flexibilisierung. Da braucht man sich gar nicht darüber zu freuen, das Internet auch im Büro uneingeschränkt nutzen zu können, um etwa einen Tisch in einem Restaurant zu reservieren; denn selbstverständlich werden dann auch noch zu abendlicher Stunde zwischen Vorspeise und Hauptgericht auch berufliche Mails gecheckt und vielleicht sogar auf der Toilette kurz beantwortet. Der Chef besteht mitunter gar nicht drauf, der Angestellte erledigt das in vorauseilendem Gehorsam aus Pflichtbewußtsein.

    Das Restaurantreservierungsbeispiel aus einem Artikel des Hefts ist gut gewählt. Längst (sprich: seit einem Jahr oder so) sind die Zeiten vorbei, in denen man das als Einladung für schon damals (sic!) eher nur so mittelmäßige Scherze über das nicht vorhandene Sozialleben von Nerds und Geeks genutzt hätte. - Wozu einen ganzen Tisch reservieren? Als Einzelgänger ohne echte Freunde findet man doch immer irgendwo ein Plätzchen. Das mit den Freunden ist jetzt anders, seit wirklich jeder auf Facebook ist. Die Konvergenz von RealLife- und Online-Identität nimmt täglich zu und wer nicht mit dabei ist, der fällt leider oft durchs Beachtungsraster. Denn weil alle “was mit Medien machen”, fällt Freundschaftspflege ja als Networking jetzt auch unter erweiterte Arbeitsleistung.

    Wir sind natürlich cool damit. Den Tag über im Web rumscouten und mal das eine oder andere Paper auf den Bildschirm bringen, unterbrochen von Meetings hier und da. Was aber, wenn einem der Job nicht gefällt? Soll ja hinter der Avantgarde im Hauptberufsheer durchaus mal vorkommen. Und auch bei den digitalen Vorkämpfern herrscht nicht immer Einigkeit, da wird das Lob der Freiheit gerne mal als neoliberales Denken gebrandmarkt. Beispiel Home Office: Da redet man sich die Einsparung einer (als ÖPNV-Nutzer) konzentrierten Nachrichtenlektüre des Arbeitswegs so lange schön, obwohl es für den Arbeitgeber viel mehr Vorteile hat (Einsparpotential) als für den -nehmer, bis man sich dann irgendwann doch der Geselligkeit halber in einem Co-Working-Space wiederfindet. Wahrscheinlich, weil man im Oberholz vor lauter Touristen gar nicht mehr zum Arbeiten kommt. Wenn man denn überhaupt einen Job hat. Ich persönlich stehe da auf der Seite der Medienelite. Die Zahl derer, die sich die Rosinen aus dem Kuchen picken können, bleibt wohl auch in der schönen neuen Arbeitswelt 2.0 recht überschaubar. Die Mehrheit wird sich mit ein paar vorgesetzten Krümeln abspeisen lassen müssen.

    Und am Ende muß man Lee Marvin beipflichten. Aber weiter. Das Programm der re:publica steht soweit. Na warte.

    stuff it )expander(

    Ich hatte in einem meiner letzten Posts bereits auf diesen unsäglichen Antiintellektuelleninternetartikel in der Zeit - und was ich von ihm halte - hingewiesen. Jetzt ist wenigstens auf zeit.de/ eine intelligente Replik dazu erschienen. Ich bezweifle allerdings, daß diese auch den Weg in die nächste Printausgabe finden wird, lasse mich morgen aber gerne eines Besseren belehren.

    Bild 1

    Alle haben es mitbekommen, der Vollständigkeit sei es in diesem Zusammenhang aber hier noch einmal erwähnt: wie taz.de/ berichtet, hat die New York Times eine spezielle “Social Media”-Redakteurin ernannt.

    Noch ein Hinweis auf Netztext: Auf solokarpfen.de/ erscheinen bestimmte Artikel. Lesen.

    Q

    Wie hier gerüchtet, hat Zensursula jetzt eine namhafte PR-Agentur beauftragt, Schadensbegrenzung zu betreiben. Dabei ist das Bundesfamilienministerium sonst da doch ganz gut aufgestellt Die guten Nachrichten zum Gestzesvorhaben häufen sich indes.

    Ach, die VG Wort. War ja klar, daß die “-wert-” nichts anderes als Geld meinen. Dabei weiß im Prinzip sogar faz.net/ wie der Nachrichtenhase heute läuft.

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    Kuh for you - via @miss_geschiggd.

    Nicht nur auf zeit.de/, auch in der Printausgabe hört die in letzter Zeit nicht mehr ganz so ehrwürdige Wochenzeitung nicht auf, gegen das Internet zu hetzen. So muß man es leider nennen. Auf freitag.de/ hat sich natürlich prompt jemand gefunden, der diese Frage zur Diskussion gestellt hat. Da konnte ich meine Klappe nicht halten und mußte dagegen-. Besonders ärgerlich, weil in der Zeit ja auch gute Artikel stehen. Aber bei diesem einen Thema sind sie ja nicht die einzigen, die danebenliegen.