überschriftlich

Ihr überlegt sicher auch ständig, wie man Sponsor als Verb schreibt, sozusagen ververblicht. Sponsorn oder sponsern? Weil man ja beinahe täglich Dinge sponsort und sich beim Sachenmachen sponsern läßt. Ständig, wie gesagt. Oder von Fall zu Fall, obwohl es hier nicht um den Kasus geht, sondorn ums Konjugieren. Blöd, wenn sich die Schreibweise dann auch noch je nach Person ändert. Ich google das, du googelst das, er/sie/es googelt das. Oder orthographiert jemand: ich googel das bzw. du googlest das? Vom simsen oder SMSen fange ich gar nicht erst an. Weil das jawohl kaum noch eine/r nutzt. Und ja, ich mußte natürlich nachgucken, weil ich seit sofort nach dem Latinum Deklination und Konjugation verwechsle. Oder verwechsele. Und jaja, ich habe keine Ahnung, wie ich jetzt elegant zu diesem Video überleiten soll, daß Whitney Houston und Serge Gainsbourg gemeinsam bei einem unmusikalischen TV-Auftritt zeigt.

(via)

Lord Overwhelmchen

Laubsauger verursachen Krebs. Laubsäuglinge haben kleine Pimmel. Deine Mutter muß als Fön Föhn Haartrockner einen Laubsauger verwenden. Laubsucker MCs can be a pain. Chuck Norris braucht keinen Laubsauger. Und wieso sind diese verdammt Dinger überhaupt Anfang August schon im Einsatz? Hat nach diesem äußerst bescheidenen Sommer der Herbst etwa schon angefangen?

Wenn Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt wäre, dann hieße der ABBA-Song “The Winner Tax It All”.

Tablettkettenreaktion

Wie das Internet mich per Umweg auf einen neuen Haushaltsgegenstand in unserer Küche aufmerksam gemacht hat.

Ich saß im Wohnzimmer, als eine Freundin das Bild von einem IKEA-HotDog gepostet hat. Kurz darauf lädt wiederum eine Freundin von ihr das Photo eines vogelmustergültigen Tabletts hoch. Die beiden sind oft zusammen unterwegs.

Meine Frau ist einige Tage zuvor ebenfalls bei (hier so eine noch nicht einmal notdürftig verschleiernde Umschreibung wie “der bekannte blau-gelbe Möbelriese aus Schweden” einfügen) gewesen und als sie mit dem Bild unten antwortet, ist mir klar geworden, was sie dort unter anderem gekauft hat.

Ich gehe also vom Wohnzimmer in die Küche und erblicke das Tablett, welches aus mir unerfindlichen Gründen den Namen Bärbar trägt und scheinbar sehr beliebt ist. Fast so beliebt wie Instagram in meinem Freundeskreis.

abgekartet

So eine real time map with Flickr pics muß ich bei nächster Gelegenheit mal ausprobieren. Immerhin habe ich schon einmal alle beschriebenen Maßnahmen zur Vorbereitung getroffen. (via @m_boesch)


Was ich aber direkt erledigt habe: Die Tischtennisplatte im Park bei mir um die Ecke in dieses Open Ping Pong-Verzeichnis bei Google Maps einzutragen. Obwohl ich eigentlich viel lieber Frisbee spiele. (via spreeblick.com/)

Drehtermin: KW 31.

Staten Island Rapid Transit, Part of the New York Subway System, Connects the Small Towns of the Borough of Richmond 06/1973

Derselbe Protagonist einige Szenen später in einer überfüllten U-Bahn stehend. Seine Versuche, sich auf die Lektüre von so etwas wie Joyces Ulysses zu konzentrieren, werden von der Menge und Lautstärke seiner Mitfahrer zunichte gemacht. Leute drängeln sich an ihm vorbei, rempeln ihn an. Geruchsbelästigung, das Übliche. An der nächsten Haltestelle steigen noch mehr Menschen ein als aus. Der Protagonist zwingt sich zur Unverzweiflung und schickt sich an, der Ablenkung entgegenwirken zu wollen. Schließlich klemmt er sich den aufgeschlagenen Wälzer zwischen die Knie, holt ein Kopfhörerknäuel aus der Jackentasche und beginnt damit, die Kabel zu entwirren. Das dauert, die verständnisvoll mitleidigen Blicke der anderen Fahrgäste nimmt er dabei nicht wahr. Kurz bevor seine Bemühungen ins Slapstickhafte abzugleiten drohen, geht ein durch Kurve oder Bremsen verursachter Ruck durch den Wagon. Das Buch entgleitet der Knieklemme, fällt zu Boden, die Seite ist verschlagen. Schnitt.”

gifallen

Seitenbacher, Seitenbacher, Seitenbacher. Und Carglass. 1952 natürlich die Männer mit Nach-, die Frauen beim Vornamen.

Hadley stand auf und ging hinüber zur schweren Musiktruhe. Er schaltete die Hi-Fi-Anlage an und drehte an den Knöpfen. Es lief nur Jazz, also schaltete er sie wieder aus. "Radios sind einfach schrecklich", sagte Ellen. "Den ganzen Tag nichts als Seifenopern und Werbung. Ich hasse diese gesungenen Werbespots, die treiben mich in den Wahnsinn." "Genau das sollen sie ja auch", erwiderte Fergesson. "Wer denkt sich denn sowas aus? Es sollte gute Musik laufen. Aber die meisten Radiosendungen sind so geschmacklos. Natürlich, der Durchschnittsbürger mag solche Sachen, und wahrscheinlich müssen die ihre Programme nach der größtmöglichen Hörerschaft ausrichten." "Also nach Volltrotteln", sagte Hadley. Fergesson kaute auf seiner Lippe und fragte: "Sind Sie jemals einer Person begegnet, die gesungene Werbespots mochte? Wenn Sie in diesem Land eine Befragung durchführten, würden Sie nicht einen gottverdammten Menschen finden, dem gesungene Werbespots gefallen." "Aber warum senden die sie dann?" fragte Ellen. "Weil damit Waren verkauft werden", antwortete Fergesson. "Sie irritieren, und die Leute merken sich das dann umso besser. Sie funktionieren einfach, und deswegen werden immer neue produziert."

Aus: Philip K. Dick, Stimmen der Straße

Zugabe // Was David Byrne 1987 über Computer der Zukunft gedacht hat.

1984

Weil in dieser tollen Cover-Reihe eine deutsche Ausgabe fehlt, packe ich meine einfach dazu. Ich finde, der minimalistische Ullstein-Entwurf (Erscheinungsjahr 1984) macht sich nicht schlecht in der Reihe, auch wenn die Neonfarbe in 27 Jahren etwas verblasst ist und auf dem Photo noch weniger rüberkommt.

1984

Das Ministerium für Wahrheit empfiehlt derweil, sich alte Folgen von How I met Your Mother noch einmal anzuschauen.

Elektropolis

So heißt eine vollautomatische Stadt aus Erich Kästners Der 35. Mai. In dem 1932 erschienen Kinderbuch über die Reise von Konrad, seinem Onkel Ringelhuth und dem rollschuhlaufenden Pferd Negro Kaballo nach der Südsee passieren einige seltsame Dinge. So ist auch das Kapitel über die Zukunftsversion Elektropolis sicher nicht ganz ernst gemeint. Per Sprachsteuerung gelenkte Autos, Bürgersteige als Rollbänder, an den Himmel geschriebene Zeitungen, um nur einige Errungenschaften zu nennen. Dank der Maschinisierung müssen die Menschen nur noch einen Tag pro Monat arbeiten. Aber was bringt die drei Besucher erst so richtig zum Staunen?

Am meisten aber imponierte ihnen Folgendes: Ein Herr, der vor ihnen auf dem Trottoir langfuhr, trat plötzlich aufs Pflaster, zog einen Telefonhörer aus der Manteltasche, sprach eine Nummer hinein und rief: "Gertrud, hör mal, ich komme eine Stunde später zum Mittagessen. Ich will vorher noch ins Laboratorium. Wiedersehen, Schatz" Dann steckte er sein Taschentelefon wieder weg, trat aufs laufende Band, las in einem Buch und fuhr seiner Wege.

zlato u parizu.april 10

Am Ende kollabiert natürlich alles liegt in Trümmern, die Stadt hat sich selbst gefressen.

treff/sicher

Harald Martenstein über Kein Kölsch für Nazis. Schon seltsam, wie es Die Zeit ansonsten schafft, in den letzten Wochen gerade die Artikel, in denen mir einzelne Formulierungen aufstoßen oder gleich der ganze Duktus mißfällt, nicht online zur Verfügung zu stellen. Und weil ich zu faul bin, im Altpapierstapel nach den letzten zweidrei Ausgaben zu kramen, muß jetzt eben das Gedächtnis herhalten. Dafür zitiere ich auch indirekt.

In einem Artikel zum Finale von Germany’s Next Topmodel äußert sich Miriam Lau im Schlußabsatz dahingehend, daß sich bei der Model-Castingshow nur Hauptschülerinnen und Friseusenazubis bewürben. Und stellt die pädagogischen Fähigkeiten ihrer sowohl Lehrer als auch Eltern gleich mit infrage. Im selben Feuilleton wird der Versuch unternommen, sich in einem kurzen Halbspaltentext für einen ach so tollen Lead Award selbst auf die Schulter zu klopfen, gleichzeitig aber darüber mokiert, daß diese Auszeichnung auch einer solch anspruchslosen Werbekampagne wie Diesels Be stupid verliehen worden ist. In der neuesten Ausgabe dann ein Halbsätzchen direkt auf der Titelseite, im Rahmen der causa Silvana: Es wäre doch nicht frei von einer gewissen Ironie, daß gerade dieses Internet - sonst in erster Linie für notorische Raubcopy&Pasteleien bekannt - etwas wie Gutten- sowie VroniPlagen hervorbrächte. Dieses, nein, das Internet. Weißt Du, was ich ironisch finde, liebe Zeit? Daß ich bald kein Klopapier mehr zum Arschabwischen habe, weil ich das Abonnement Deiner Printausgabe nämlich kündigen werde, wenn Du weiter meinst, in aufgesetzt elitärer Pose in dieser billigen, effektheischerischen Art und Weise auf Andere herabsehen zu müssen. Ich kündige dann schriftlich - auf diesem Papier, you know?

Nyan Cat (update)

Okay, das Ding ist mittlerweile schon etwas älter und hat in seinen buckligen zwei Monaten Lebenszeit über 16 Mio. Klicks abbekommen. Wobei man sich natürlich schon fragen kann, wieviele davon wirkliche views sind. Bis zum Ende halten diese 3 min. und 37 sek. wohl die Wenigsten aus. Neu ist allerdings, daß die Katze samt Regenbogen den sonst gewohnten Punkt vor dem roten Fortschrittsbalken unter dem Video ersetzt. Well done, YouTube!

(via)

Nachtrag / Menno! Nachdem das Video für kurze Zeit gesperrt gewesen ist, kann man es sich jetzt zwar wieder ansehen, allerdings ist der lustige Fortschrittmacher zu einem Ball wie bei jedem anderen Video geworden.

lager/feuer

Als alter Suchtbolzen bin ich gestern Abend direkt mit Beginn des Abspanns von The Wrestler quasi ans offene Küchenfenster gesprintet, um eine Zigarette zu rauchen. Und habe mich gefreut, daß Bruce Springsteen trotzdem für mich gesungen hat - nämlich quer über den Hinterhof aus einer gegenüberliegenden Wohnung.

Ich habe schon einmal etwas darüber geschrieben, daß man TV vielleicht nicht in erster Linie, aber sicher zu einem Großteil nicht wegen des Inhalts glotzt, sondern wegen der Anschlußmöglichkeiten. Mit dem Wissen um die Begrenztheit von (naja: guten) Programmen reicht allein Möglichkeit, jemand könnte sich gestern diesen oder jenen Film ebenfalls angesehen haben, um miteinander ins Gespräch zu kommen. “Hast Du gestern The Wrestler geguckt?"

Streng genommen liest man Zeitung nicht um sich zu informieren, was in der Welt passiert. Man liest Zeitung um sich darüber zu informieren, worüber andere sich informieren, wenn sie in der Zeitung lesen, was in der Welt passiert. Und diese Funktion wird durch das Internet nicht ersetzt.
(Zitat Stefan Schulz, via pool.pauneu.de/)

Kontrastischer konnte der Unterschied gestern kaum sein: vor Aronofskys Film in der ARD habe ich mir das Finale von Germany’s Next Topmodel angesehen. Und zeitgleich auf Twitter verfolgt. Braucht man ja nicht mehr viel Worte drüber zu verlieren, eins reicht: Tatort. Und genau in diesem Stil vermuten manche das Fernsehen der Zukunft, die Community/Fanbase trifft sich im Netz, um sich noch während der laufenden Sendung über selbige auszutauschen. Comenta.TV aus Südamerika, home of the telenovelas, könnte ein vielversprechender Ansatz dafür sein.

Zumindest übergangsweise. Denn man fragt sich schon heute, wie lange es noch dauert, bis 1st und 2nd screen die Rollen tauschen. Bewegtbild ist - egal wie schnell die Szenenfolgen in Zukunft noch aneinander geschnitten werden - einfach viel zu langsam. Selbst unter einer Minute Filmlänge zu langatmig. Hat nicht jeder schon einmal auf das Vimeo-Herzchen oder den YouTube-Daumen geklickt, quasi als Entschuldigung, sich das Video nicht zuende angeschaut zu haben?

On the internet memes are the new TV.

Längst hat das Internet seine eigene Form von Kommunikationsanschlußverfahren: der Name dieser Kulturtechnik lautet Meme. Und wie schnell deren Halbwertszeit bemessen ist, kann man sich in dieser Übersicht der zu durchlaufenden Stadien ganz gut vergegenwärtigen. Beim textlichen Durchlauferhitzer Twitter können das Hashtags wie #einbuchstabendanebentiere sein. Oder auf anderen Plattformen wie Tumblr, Facebook, … zum Beispiel auch Bilder.

Anders als etwa bei einer Fernsehserie braucht man sich nicht lange in komplexe Handlungen hineindenken. So ein Meme ist in Sekundenschnelle begriffen; man versteht es sofort und kann ohne Umstände mitreden. Nicht umsonst leitet sich der Begriff von der Dawkins kleinsten Gedankeneinheit ab. Vielleicht liege ich aber auch falsch und es sind nicht Meme, sondern Verschwörungstheorien, die im Internet dem Fernsehen den Rang ablaufen. And by the way: Zapping is back! Alsoll heißen, kann man jetzt online gucken.

alter vor schnödheit

Nun also auch Sibylle Berg mit einem “früher war alles besser”-Text. Ein Abgesang auf die Intellektualität soll es wohl sein, als ob deren Stimme je viel gegolten hätte. Berg fällt dabei wohl, wie so viele, auf die allgegenwärtige Sichtbarkeit des Banalen herein. Meiner Meinung nach ein bloßes Filterversagen, gepaart mit einer gehörigen Portion Verklärung der Vergangenheit. Dabei endet ihr Text wie folgt:

Das Königspaar der glänzenden neuen Welt ist nicht mehr Sartre und de Beauvoir, sondern Pitt und Jolie. Kinder, Häuser, Gestüte, unfassbarer Reichtum, so wollen wir sein, so müssen wir leben. Intellektuelle sind heute Verlierer, weil sie kein Geld verdienen. Sie haben keine Label an ihrer Kleidung, sie feiern nicht in St. Moritz, sie sind ohne jede Bedeutung für unsere Gesellschaft, also lächerlich.

Ab und zu hört man einen wie Alexander Kluge bedächtig in eine Kamera atmen, man hört von Theaterstücken oder Philosophen, die keine Millionenauflagen erreichen, aber wozu? Was nicht verkauft, hat keinen Wert. Der Erfolg gibt ihnen recht, das ist eines der blödesten Sprichworte unserer Zeit, die hoffentlich bald zu einem universellen Kollaps führen wird, zu einer großen Pulverisierung von allem, was wir kennen, um der Verblödung ein erfreuliches Ende zu bescheren.

Vorweg gesagt: Bergs Der Mann schläft ist eines der besten Bücher, welches ich in den letzten Jahren das Vergnügen zu lesen hatte. Und auch ihre Kolumne bei Spiegel Online gefällt mir in der Regel außerordentlich gut. Aber dieser Text hier ist nun wirklich ein Griff ins Allgemeinheitsklo, abgespült mit elitärer Ignoranzigkeit.

Was waren das für tolle zu Zeiten, als es noch keine Regenbogenpresse, noch kein RTL2 und auch kein Internet gab, in das sogar jeder reinschreiben darf, der sich dazu berufen fühlt? Man klickt arglos einen Link, zappt ein wenig durch die zweistelligen TV-Programme und schon bekommt man alle Schlechtigkeit der Welt drastplastisch vor Augen geführt. Nein, da hatte man es früher einfach einfacher. Spiegel, Zeit und Süddeutsche gelesen, dabei brav den eigenen Erwartungshorizont in höchstens homöopathischen Dosen überstrapazieren - fertig war die Strebergartenlaube Marke Eigenmuff.

Aus den Augen, aus dem Sinn: die andere Seite der “Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt”-Medaille. I like. Wie sonst ist es zu erklären, daß man den Aushängeschildbürgern Sartre und de Beauvoir (Königspah!, sic!) außerhalb eines erweitert existenziellen Dunstkreisels globale Relevanz zugesteht? In Deutschland schwärmten die Massen zu dieser Zeit jedenfalls wohl eher für Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler wie heute für Brangelina. Wenn man schon einen Vergleich bemühen will. Mit dieser Logik wäre der Staat sozial gerechter, würde man diese ganzen unansehnlichen Penner aus den Fußgängerzonen der Innenstädte verbannen und an die Peripherie verfrachten, wo sie nicht so auffallen. Jedenfalls nicht den richtigen Leuten.

Intellektuelle waren nie, zu keiner Zeit die Gewinner; heute macht sich nur niemand mehr die Mühe, Ihnen Trostpreise zu verleihen. Heinrich Zschokke und August von Kotzebue beispielsweise waren die Kassenschlager um das Jahr 1800, nicht die später so nachrühmlichen Goethe und Schiller. Die beiden hätten sich ohne das Mäzenatentum am Weimarer Hof wahrscheinlich zu Spitzwegs Der arme Poet zum Sterben in die Dachkammer verkriechen können. Aber die Berg tut so, als hätte zu dieser Zeit jeder hinterwäldlerische Bauernflegel Kants Kritik der reinen Vernunft auf dem Nachttisch liegen gehabt. Ein Buch übrigens, daß die Neue Zürcher Zeitung bei Ersterscheinung im Jahre 1781 in Grund und Boden verrissen hat.

Ich will Tendenzen sicher nicht verharmlosen. Es gibt bestimmt einen Grund, warum die reiche Obersicht jahrhundertelang im Verborgenen gesaust und gebraust hat, während sie es heutzutage ungeniert öffentlich ausleben kann und dafür auch noch bewundert wird. Aber eben nur von Teilen der Gesellschaft. Denn die Unterschicht hat auch schon früher dem Herrn Doktor nicht wegen seiner rein intellektuellen Fähigkeiten Respekt in Form von Hutlüftungen gezollt, sondern aus dem handfesten Grund, weil es nur zwei Ärzte im Dorf gegeben hat und man höchstwahrscheinlich einmal auf seine Dienste angewiesen gewesen sein könnte. Und da kommt plötzlich die Urbanisierung und mit ihm die Unverbindlichkeiten, die Wahlfreiheiten des Kapitalismus. Es ist schon ein Kreuz mit dieser Demokratie, wenn auch noch Eigenverantwortung mit dazu kommt.

Frau Berg hat recht, der Intellektuelle ist derzeit nicht gerade wohl gelitten. Er ist es (mit Ausnahmen) allerdings nie wirklich gewesen. Zwar haben mittelalterliche Könige und Kaiser die schriftgelehrten Mönche hofiert, dabei doch nie ihren eigenen herrschsüchtigen Vorteil in einer analphabetisierten Welt aus den Augen gelassen. Das leibeigene Volk hat die auf Latein gelesenen Messen sowieso nicht verstanden und derweil ganz andere Probleme gehabt.

Mit dem nachzeitigen Buchdruck als vorherrschendem Medium ist es ein Leichtes gewesen, sich in die eigene Talartasche zu lügen und die Bedeutung von Geistengrößen in der Rückschau als übergroß darzustellen. Objects in rear mirror are closer than they appear. In Zeiten des Internets wird es sicher schwerer werden, die - positiv gewendet: - die Spreu vom Weizen zu trennen. Und es bedarf seitens der Gelehrten sicherlich einer im Vergleich zum klösterlichen Scriptorium gesteigerten Selbstdiziplin, nicht der allüberall lauernden Prokrastination anheimzufallen. Aber mit einer geeigneten Herangehensweise hat Serendipity auch seine Vorteile.

Seltsam nur, daß jetzt auf einmal Leute mit genau so einer “Führer war alles besser”-Denke die Filterblindheit des personalisierten Internets als Spiegelkabinett anprangern. Und das dann auch noch zum Untergang des Abendlandes aufspielen. Als ob es die letzte Schlacht zu schlagen gilt.

TdM / Mai 2011

TdM / Mai 2011

you name it

Post. So im Briefkasten. Nun gut, ein Wechsel des Stromanbieters zieht solcherlei Papierkram nach sich. Aber was lese ich da auf meiner Schlußabrechnung? Liebe RheinEnergie, wie wäre es, wenn Ihr auf Atomstrom verzichtetet und dafür ein wenig mehr auf regenerative Energien setztet? Werde nämlich das Gefühl nicht los, auf diese Weise wäre man besser für die Zukunft aufgestellt, statt seinen Produkten nur fancy Namen zu geben. Von wegen alter Wein in neuen Schläuchen und so.

Aber man soll ja nicht sagen: “Das hätte ich besser hinbekommen."

zwei arten von mensch

Eine Frau, die sich in der Straßenbahn auf einen besonders mondänen Ausstieg vorbereitet (Sonnenbrille ins Haar stecken, Handtaschenhenkel in der Armbeuge platzieren, so Zeug), beim Anblick der an langwellweiliger Trostlosigkeit kaum zu überbietenden Haltestelle Christophstraße/Mediapark allerdings resigniert durch davonstöckelt. Und dann ist auch noch die Rolltreppe kaputt.

profiles project

Der Graphikdesigner, der einem ständig was von Minimalismus erzählt, dem die Devise “form follows function” alles bedeutet. Er könnte jeden Tag einen Bauhaus-Vortrag halten. Genau der Graphikdesigner, der jeden Tag eine andere Kapuzenjacke trägt. Und deren Kapuzen er niemals benutzt, möge es regnen, stürmen oder schneien.

wie die Kessler-flickr, sort of

grimmig again

Es ist ja nicht so, als wäre das etwas Neues. Gerade habe ich auf dem netzthematischen ZDF-Blog Hyperland von den diesjährigen Nominierten für den Grimme Online Award 2011 erfahren. Über einige der letzten Gewinner habe ich mich bereits aufgeregt. Nur bringt so eine Imnachhineinerei ja nichts, deshalb stänkere ich dieses Jahr einfach schon im Vorfeld, weil zu einem Gutteil jedes Jahr dieselben Sachen nominiert werden. Mal wieder ein Projekt der Axel Springer Akademie, schon wieder irgendeine unterseite.arte.tv (gleich dreimal!) - dazu hier noch ein langjähriger jetzt Ex-FOCUS-Journalist und dort ein Artikel auf zeit.de. Arrivierte (Alt-)Medien wie das DeutschlandRadio (samt seiner bereits auf der Startseite genannten Partner ARD, ZDF und Phoenix) lassen sich dafür feiern, daß sie ihre überalterten Vorteile irgendwie halbwegs erträglich ins Netz rübergerettet haben. Und wenn schon nicht der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk selbst nominiert wird, dann halt jemand, der wenigstens über ihn schreibt (http://www.tittelbach.tv/). Wait, in Form von JoNaLu ist es die Kindersparte mit ZDFtivi ja doch. Mindestanforderung scheint jedenfalls zu sein, daß hinter den nominierten Onlineangeboten mal offener (MTV), mal versteckter (Burda) ein großer Medienkonzern steckt oder die Websites zumindest alteingesessene Träger/Partner (Technische Universität Dortmund bzw. Journalistenverbände) oder das Angebot von wenigstens zwei Regierungsinstitutionen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bzw. der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien) gleichzeitig gefördert wird.

(Die Links könnt Ihr Euch diesmal selbst zusammensuchen.) Ich bin nicht so naiv, um nicht zu wissen, wer den Grimme Online Award finanziert. Ich drücke allen wirklich unabhängigen Nominierten die Daumen, mögen sie im Falle eines Gewinnes ihre Auszeichnung nicht allzu sehr als Feigendeckblattmäntelchen empfinden.

hosianna

Ein über neun Jahre alter medienhistorischer Text von Gerald Sammet aus NZZ Folio, dem Magazin der Neuen Zürcher Zeitung, wird plötzlich wieder medientheoretisch aktuell, wenn man das Wort Kugelschreiber durch Internet ersetzt. Aber auch ohne diesen Austausch der Begrifflichkeiten ist vor allem die zweite Hälfte des Artikels äußerst lesenswert.

(via)

takelage